Zwischen Vögel zählen und Fußballturnieren
Wie gemeindebasierte Arbeit dem Vogelschutz dient. Ein Interview mit Neema Mwaja, Artenschutzexpertin und Projektleiterin bei Nature Tanzania
Neema, wie bist du zum Artenschutz gekommen?
Ich bin in einem Gebiet aufgewachsen, wo es immer Ärger mit den Elefanten gab. Mir taten die Tiere leid, aber ich habe auch die Menschen verstanden. Ich wollte einfach, dass es möglich ist, dass es den Tieren und den Menschen gut geht. Das motivierte mich wohl, Wildlife Management zu studieren. Die Beziehung zwischen Mensch und Tier ist hochgradig spannend.
Während meines Studiums beispielsweise untersuchte ich bei Student*innen in Morogoro die Haltung und das Naturschutzbewusstsein in Bezug auf bedrohte Arten. Im Anschluss an mein Studium arbeitete ich als Forschungsassistentin in verschiedenen Schutzgebieten in Tansania, z.B. in der Kihansi-Schlucht, in den Eastern-Arc-Mountains und der Serengeti. Ich habe viel zu Lebensraumverlust und Wilderei gearbeitet, zu nachhaltigen Umweltpraktiken, Wildtierschutz und die Unterstützung von Gemeinden bei Mensch-Wildtier-Konflikten. Es gibt so viel zu lernen.
Was fasziniert dich am Artenschutz?
Ich setze mich einfach leidenschaftlich gern für Umweltthemen ein. Am meisten interessiert mich der Artenschutz. Schau nur, welche unentbehrlichen Leistungen Vögel in Ökosystemen erbringen: Sie bestäuben Pflanzen, verteilen Samen und bekämpfen Schädlinge. Das muss erhalten und geschützt werden! Es ist gleichermaßen wichtig für das Wohlergehen von Wildtieren und Menschen. Aktiver Artenschutz ist für mich eine Möglichkeit, positive Veränderungen voranzutreiben und mehr Bewusstsein für den Naturschutz zu schaffen.
Mit meiner Arbeit möchte ich sicherstellen, dass Menschen und Wildtiere friedlich koexistieren können.
Neema Mwaja, Artenschutzexpertin bei Nature Tanzania
Was machst du bei Nature Tanzania?
Ich leite das Projekt „Illegal Killing of Birds“. Das Projekt unterstützt direkt Bemühungen, Vögel zu erhalten. Dabei geht es in erster Linie darum, die Lebensbedingungen der Menschen anzuschauen und so zu verbessern, dass sie auf das Einkommen aus der Vogeljagd verzichten können. Dann werden auch keine Vögel getötet. Daher entwickeln wir einkommensschaffende Maßnahmen wie die Imkerei, bieten Umweltbildung an und organisieren gemeinschaftsfördernde Veranstaltungen wie Fußballturniere oder Baumpflanzungen.
All diese Initiativen zielen darauf ab, die Beteiligung der Gemeinschaft am Schutz der biologischen Vielfalt zu fördern und alternative Einkommensquellen zu schaffen, um den Druck auf die Umwelt und die Vögel zu verringern.
Wie sieht ein gewöhnlicher Tag bei Nature Tanzania für dich aus?
Früh am Morgen putzen wir erstmal das Büro. Danach checke ich meine Mails, tausche mich mit dem Team aus und mache eine Tagesplanung. Nur in der Regenzeit gehe ich nach dem Putzen sofort ins Feld, um z.B. Störche zu beobachten und Daten zu sammeln. Mittags besuche ich unsere Projektteilnehmer*innen in den Dörfern, wir unterhalten uns und tauschen wichtige Infos aus. Die Mitarbeit der Gemeinden an unseren Projekten ist essenziell: Sie teilen lokales Wissen und sammeln Daten über Vogeltötungen. Wir haben immer viel zu besprechen und abzustimmen. Zurück im Büro dokumentiere ich meine Tagesaktivitäten, Ergebnisse und alle wichtigen Erkenntnisse und tausche mich mit dem Team aus.
Wie genau läuft die Zusammenarbeit mit den Gemeinden zum Vogelschutz ab?
Wir führen Workshops, Präsentationen und Aufklärungsprogramme durch, um die Bevölkerung über die Bedeutung des Vogelschutzes aufzuklären. Dadurch wird ihr Verantwortungsbewusstsein für den Schutz der verschiedenen Vogelarten gestärkt. Wir arbeiten mit den Verantwortlichen der Gemeinden, den Begünstigten des Projekts und den Schulen (Lehrpersonal und Schüler*innen) zusammen, denn nur gemeinsam können wir eine größere Wirkung erzielen und mehr Menschen erreichen. Wir bieten den Gemeindemitgliedern Schulungen und Ausstattung für Vogelmonitoring, Datenerfassung und Naturbeobachtung an. Wir bemühen uns aktiv um ihren Beitrag und ihre Beteiligung an den Projektzielen, wobei wir ihre lokalen Traditionen, ihren Glauben und ihre Praktiken respektieren, und die kulturellen Werte einbeziehen, wie z.B. beim Imkereiprojekt.
Wie wirken sich der Klimawandel und menschliche Aktivitäten auf den Vogelschutz aus?
Die Menschen greifen massiv in die Natur ein: Sie holzen Wälder ab, dringen in Schutzgebiete ein, schaffen Ackerflächen und Wohnraum in der Nähe von Schutzgebieten, Flüssen und Feuchtgebieten. Diese Veränderungen führen dazu, dass den Vögeln der Lebensraum genommen wird und sie nicht mehr ausreichend Nahrung, also Insekten oder andere Kleinsttiere finden, denn diese werden ja auch verdrängt. Das hat katastrophale Auswirkungen auf ihre Brut-, Fütterungs- und Migrationsmuster.
Auch beobachten wir, dass Niederschläge immer unregelmäßiger und weniger werden. Übernutzung durch Jagd, Fallenstellerei und Wilderei von Vögeln zum Zwecke der Nahrungsbeschaffung, des Glaubens und als Einkommensquellen ist ebenfalls ein großes Problem. All diese Faktoren beeinflussen die Populationsdynamiken und bedrohen das Überleben vieler Arten.
Welche Vögel sind besonders schutzbedürftig?
In den Projektgebieten, in denen ich arbeite, werden vor allem Weiß- und Abdimstörche sowie verschiedene Taubenarten gejagt.
Was treibt dich an?
Ich möchte einen effektiven Beitrag zum Schutz und zur Erhaltung der Umwelt im Allgemeinen leisten. Das schaffen wir nur zusammen. Gute Teamarbeit und die Arbeit mit nationalen und internationalen Partnern sind mir wichtig, damit wir unsere gemeinsamen Ziele konsequent erreichen können. Ich würde gern mein Fachwissen in den Bereichen Vogelbestimmung und Ökologie ausbauen und mich für eine dauerhafte positive Veränderung im Bereich des Naturschutzes einsetzen. Letztendlich hoffe ich, eine wichtige Rolle dabei zu spielen, einen spürbaren Einfluss auf die Umwelt und die Gemeinden, mit denen wir arbeiten, zu hinterlassen.
Was ist die größte Herausforderung? Welche Art von Unterstützung braucht deine Arbeit?
Begrenzte finanzielle Mittel sind auch bei uns eine Herausforderung. Partizipation, also das Mitwirken der Gemeinden, erfordert nicht nur Engagement, sondern braucht auch greifbare Vorteile wie angemessene finanzielle Mittel zur Sicherung von Lebensunterhalten. Laufende Projekte benötigen eine gute Ausstattung für das Überwachen von Vögeln. Wir würden die Projektgebiete gern ausdehnen und brauchen auch Unterstützung bei den Projektaktivitäten, einschließlich Feldarbeit, Monitoring und Öffentlichkeitsarbeit. Ich wünsche mir mehr Lernaustausch, zum Beispiel auch durch Partnerschaften und Kooperationen mit anderen (internationalen) Organisationen oder akademischen Einrichtungen.
Gibt es ein Ereignis, dass dir besonders in Erinnerung geblieben ist? Worauf bist du stolz?
Ein Ereignis, was mich sehr berührt und letztendlich auch stolz macht, ist, dass ich aktiv bei der Gründung einer Fußballmannschaft beteiligt war. Die Jugendlichen waren zuvor Vogeljäger. Es war auch nicht ungefährlich, denn ich geriet in eine kritische Situation, als die Jungs ein Netz ausgelegt hatten und nur darauf warteten, den Vogel einzusammeln. Es braucht viel Vertrauen und viele Gespräche. In diesem Fall ließen sich die Jungs überzeugen und fanden die Alternative zur Vogeljagd sehr attraktiv. Mittlerweile sind sie selbst im Sensibilisierungsprogramm aktiv und führen in den umliegenden Dörfern Aufklärungs- und Bildungsarbeit durch. Es ist toll, bei Evaluationen festzustellen, dass immer weniger Fallen und Netze ausgelegt und Vögel gejagt werden und die Beteiligten Freude am Projekt haben. Zu sehen, wie sich unsere Bemühungen direkt auf das Leben der Vögel und der Menschen auswirken, erfüllt mich.
Herzlichen Dank für das Interview!
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