Nashorn-Wilderei erreicht Tiefstand in Indien
NABU International sieht Vorbildfunktion für den Artenschutz anderer Länder
22. Mai 2022 – Die Nashorn-Wilderei in Indien hat im Jahr 2021 einen neuen Tiefstand erreicht. Die Gründe dafür liegen in einer klaren politischen Haltung seitens der indischen Regierung, strengen Schutzmaßnahmen und einer effektiven Bekämpfung von Wildtierverbrechen.
„Die erfolgreiche Artenschutzarbeit in Indien stimmt zuversichtlich. Wir sehen hier eine Vorbildfunktion für Länder wie Südafrika, wo trotz der Bereitstellung hoher Finanzmittel und hochmoderner Überwachungstechnologie durchschnittlich drei Nashörner pro Tag Opfer von Wilderei werden. Die Bemühungen, die Nashornwilderei in den Griff zu bekommen, sind jedoch zum Scheitern verurteilt, solange wichtige Akteure in der illegalen Handelskette Wildtiere als Einnahmequelle betrachten und das internationale Handelsverbot untergraben. Indien zeigt uns aktuell, wie es geht: Mit einer klaren politischen Grundhaltung und der Bereitschaft, zu handeln, kann die Nashornwilderei gestoppt werden.“
Dr. Barbara Maas, Leiterin internationaler Artenschutz, NABU International Naturschutzstiftung
Südafrika und Indien: Zwei zentrale Verbreitungsstaaten mit höchst unterschiedlicher Bilanz
Südafrika und Indien beheimaten jeweils die größten Nashornbestände in Afrika und Asien. Die Bilanz des Artenschutzes in den beiden Ländern könnte jedoch unterschiedlicher kaum sein: So verlor Südafrika zwischen 2011 und 2020 knapp 8.900 Nashörner durch Wilderei. Selbst der „Vorzeige-Nationalpark“ Kruger hat in einem einzigen Jahrzehnt 75 Prozent seiner Breitmaulnashörner verloren – ein schockierender Rückgang von 10.621 auf 2.607 Tiere. Den im Kruger beheimateten Spitzmaulnashörnern erging es nicht besser. Ihre Population wurde zwischen 2017 und 2020 von 415 auf 202 mehr als halbiert – ein Verlust von 55 Prozent. Die derzeitigen Verluste durch Wilderei übersteigen weiterhin die Geburtenrate.
Im Gegensatz dazu verbuchte die Wildschutzbehörde im indischen Assam, dem zentralen Verbreitungsgebiet des Panzernashorns, bemerkenswerte Erfolge. Hier stieg die Zahl der Nashörner innerhalb von drei Jahren von 2.652 auf 2.885 im Jahr 2022 weiter an. Außerdem konnten Wilderer im vergangenen Jahr nur ein einziges Nashorn erlegen. Damit erreichte die Wilderei in der Hochburg der bedrohten Art den niedrigsten Stand in über zwei Jahrzehnten.
Indien unterstreicht Vorbildfunktion durch Horn-Verbrennung am Weltnashorntag
Der Kaziranga-Nationalpark im indischen Bundesstaat Assam beherbergt neben anderen bedrohten Arten wie Tigern und asiatischen Elefanten die größte verbleibende Nashornpopulation Asiens. Rund zwei Drittel aller 4014 Panzernashörner finden in dem UNESCO-Weltnaturerbe ein Zuhause. Der strenge Schutz durch die Regierungs- und Forstbehörden in Indien und Nepal – den beiden Verbreitungsstaaten der Art – hat dazu geführt, dass die Wilderei seit mehreren Jahren zurückgeht und die Bestände sich bisher beständig erholen konnten. Durch die öffentliche Verbrennung von 2.479 beschlagnahmten Nashorn-Hörnern am Welt-Nashorn-Tag im September vergangenen Jahres unterstrich die Landesregierung von Assam ihr Engagement im Kampf gegen die Tötung und den Handel mit Nashornprodukten.
„Wir möchten die Menschen auffordern, diese seltenen Tiere nicht zu töten oder ihr Horn aufgrund von Aberglauben oder Mythen zu kaufen. Manche sagen, dass wir die Hörner verkaufen sollten, anstatt sie zu zerstören. Aber so wie wir beschlagnahmte Drogen nicht verkaufen können, um Einnahmen zu erzielen, kann eine Regierung auch kein Geld mit dem Verkauf von Nashorn-Hörnern verdienen.“
Himanta Biswa Sarma, Ministerpräsident des indischen Bundesstaates Assam
Internationales Handelsverbot mit Rhinozeros-Horn seit 1977
Der internationale Handel mit Nashorn-Horn ist im Rahmen des Washingtoner Artenschutzabkommens seit 1977 verboten. Im Einklang mit seiner Ausrichtung auf die Kommerzialisierung von Wildtieren durch Trophäenjagd und Handel opponierte Südafrika jedoch bereits damals gegen das Verbot. Eine kleine Gruppe an privaten Nashorn-„Züchtern“, die über ein Lager an Nashorn-Horn verfügen, das mehrere Tonnen Horn umfasst, setzt sich seit Jahren für die erneute Öffnung des legalen internationalen Handels ein. Bisher blieben diese Bemühungen erfolglos. Doch unter dem Einfluss einer politischen Kampagne, die letztendlich vor Gericht entschieden wurde, hob die südafrikanische Regierung 2017 ihr nationales Handelsverbot auf. Und das obwohl dafür in Südafrika kein Markt besteht. Während die Regierung des Landes einerseits für ein Ende der Nashornwilderei appelliert, erteilt dasselbe Amt Trophäen-Abschussgenehmigungen für akut vom Aussterben bedrohte Spitzmaulnashörner. Diese unklare politische Haltung sowie die anhaltende Diskussion über eine mögliche Öffnung des legalen internationalen Handels schafft Unsicherheit und schürt die Nachfrage, die Südafrika weiterhin bedient. Dass eine solche Legalisierung des Handels schwere negative Auswirkungen auf die Nashornpopulationen in Asien hätte, darauf machten Vertreter*innen aller asiatischen Nashorn-Arealstaaten in einer Anfang 2019 veröffentlichten Stellungnahme aufmerksam.
Global vernetzt, hochorganisiert, kriminell: Illegaler Handel mit Rhinozeros-Horn
Der illegale Handel mit hochwertigen Wildtierprodukten wie Nashorn-Horn liegt in den Händen hochorganisierter krimineller Netzwerke. Berichten zufolge agieren inzwischen auch chinesische kriminelle Netzwerke in Südafrika, um fertige Produkte an Verbraucher*innen in Asien zu liefern. Denn vor allem in China und Vietnam ist Rhinozeros-Horn weiterhin gefragt: als Statussymbol, für Schmuckstücke und andere Kleingegenstände, als Aphrodisiakum und auch als traditionelles Heilmittel.
Mittlerweile sind in Südafrika auch Insider der Wildtier- und Strafverfolgungsbehörden zunehmend in den Handel mit Nashorn-Horn verwickelt. Das betrifft auch Ranger*innen. Berichten zufolge bleiben viele Ranger-Stellen unbesetzt, die Verwaltungsorgane sind überlastet, es herrscht eine Atmosphäre des gegenseitigen Misstrauens und die Arbeitsmoral ist schlecht. Die zunehmende finanzielle Not im Zuge der Pandemie hat die Situation nicht verbessert. Südafrikas Nationalparkbehörde gab kürzlich bekannt, dass sie die Umsetzung eines Verfahrens zur „Gewährleistung der personellen Integrität“ einschließlich eines Lügendetektor-Tests plane, um Ranger*innen von der Zusammenarbeit mit Wilderern abzuhalten. Gleichzeitig vermutet das Amt, dass diese Pläne allein aus technischen Gründen nicht zeitnah realisiert werden können.
Das tut NABU International für den Nashornschutz in Indien:
• Wildereibekämpfung in drei indischen Nationalparks durch eine Spürhundestaffel
• Bereitstellung von Fahrzeugen und Feldausrüstung für Ranger*innen und Polizei
• Verhinderung von Kollisionen mit Fahrzeugen während der monsunbedingten Hochwassermonate
• Unterstützung von verletzten Ranger*innen
• Aufklärungsarbeit im Umfeld der Nationalparks
• Reduktion von Nachfrage nach Horn und anderen Nashornprodukten in Asien im Rahmen einer Allianz mit der International Buddhist Confederation (IBC)
• Einsatz gegen jegliche Lockerung von Handelsverboten mit Rhinozeroshorn
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Nashörner gehören zu den bedrohten Tierarten. Gleichzeitig sind Nashörner faszinierende Tiere, über die es viel zu lernen gibt. In unserem Webinar „Nashornschutz in Aktion“ informierten wir Sie über Nashörner und unsere Schutzprojekte in Indien. Mehr →